Dienstag, 18. März 2014

Requiem für einen Birnbaum

Sterbehilfe - ich bin traurig! Sehr traurig! 
 
 
So hat er uns über 30 Jahre, seit wir hier wohnen, durch das Leben begleitet, unser Birnbaum. Er ist schon als alter Baum dagestanden als wir das Haus kauften. Jahr für Jahr hat er reichlich herrlich saftige, wohlschmeckende Birnen getragen und nicht nur uns, sondern auch unsere Nachbarn mit versorgt. Seine tief herabhängenden Äste haben mir im Sommer herrlichen Schatten gespendet, so dass ich mich in der Hängematte unterm Birnenbaum bestens entspannen konnte, und so richtig wohl und geborgen fühlte. Er ist mit uns alt geworden, der Baum. Die letzten Jahre auch etwas schrundig. Schief gestanden ist er schon immer. So, als ob er sich gegen den häufigen Westwind stemmen wollte. 
Vor zwei Jahren ist ihm dann ein großer Ast abgebrochen. Einfach so! Vielleicht ist ihm auch die Last der Birnen zu schwer geworden. Wir spreizten die anderen Äste auf, fürchteten aber, dass ihn eines Tages der Wind umreißen würde. War ja schließlich schon vom Alter gezeichnet - mit Löchern und Schrunden. Ein baumkundiger Nachbar hat ihn dann geköpft. Nun war er ziemlich was kürzer und noch etwas weniger schön.
 Dem Schönheitsideal eines Baumes entsprach er ja eigentlich nie. Zumindest nicht,
 seit wir ihn kannten. Aber meine Familie - und besonders ich - mochten ihn! Er hatte eine gute Aura.
Im Vorjahr hat er trotz des Köpfens wieder reichlich geblüht. Man konnte fast glauben, er wäre erleichtert weniger tragen zu müssen und danke es mit extra viel Blütenreichtum. Ich liebte den starken Duft seiner Blüten. Und er hat mir in meiner Hängematte auch weiterhin ausreichend Schatten gespendet. Ich hoffte sehr, dass er mich überleben wird.
 Ende Mai, Anfang Juni des Vorjahres hat sich eine Riesen-Raupe auf den Gehsteig hinter dem Haus verirrt. Sie war mindestens acht - neun cm lang und dick und fett. Ich habe sie nicht getötet, sie hat mir ja nichts getan. Lange konnte ich dieses Raupenvieh nicht zuordnen. Irgendwann im Sommer/Herbst fand ich Zeit und Muße die Herkunft dieser Raupe zu eruieren. Und ich war geschockt! Es handelt sich um eine Weidenbohrer-Raupe. Einen Baumschädling, der auch Birn- und Apfelbäume mag, nicht nur Weiden. Wenn ich das seinerzeit gewusst hätte, wäre ich wohl mit Sicherheit zur Mörderin geworden. Hätte zwar eh nichts genützt - aber trotzdem! Sofort begannen mein Mann und ich den Stamm auf typische Merkmale des Schädlings zu untersuchen und wir wurden fündig!
Es fanden sich zahlreiche Löcher die genau die Merkmale eines Weidenbohrer-Schädlings haben. Dabei war der Baum wieder voll mit jungen Birnen und wir fühlten uns irgendwie machtlos. Wir konnten uns nicht entschließen den Baum sofort zu fällen. Er trug Birnen, wieder mehr als wir brauchten und wie alljährlich konnten wir auch Nachbarn damit beglücken. Sagten "lassen wir die Früchte noch ausreifen". Dann, als das Laub fiel, sagten wir "warten wir bis nächstes Jahr". Und das haben wir getan. Nun ist das nächste Jahr und wir haben die Schadstellen nochmals genau inspiziert. Als wir bei einem der Löcher fast einen Meter tief im Inneren des Stammes hinunter stochern konnten und mein Mann bei einem anderen Loch entdeckte, dass man da schon bis auf die andere Seite beim vis-a-vis Loch durchsehen kann, war der Entschluß gefasst. Wir gaben ihm Sterbehilfe, unserem Birnbaum. Mein Mann begann mit dem Umschneiden. Und nun ist endgültig tot - der Baum.
So sah er heute mittags aus. Inzwischen gibt es nur noch ein großes Loch in der Erde - da
wo er einst stand, viele Äste, Stamm-Stücke deren Mitte im unteren Teil total zerfressen ist und ein nicht ganz so großes, schwarzes Loch in meiner Seele.
Wo soll ich heuer im Sommer bloß mit meiner Hängematte hin? Wo find ich wieder so einen herrlichen Schatten? Auch wenn wir noch einige andere Bäume haben, keiner hat so ein Lieblings-Platzerl als ich es unterm Birnbaum jederzeit vorfand.
 
 
Nie mehr werden die Birnbaum-Blüten ihren intensiven Duft verströmen!
Nie mehr werde ich die köstlichen Früchte dieses Baumes pur oder als Rotwein-Birnen  genießen können. Natürlich gibt es andere Birnen. Natürlich riechen auch andere Birnbaum-Blüten gut. Aber das ist nicht dasselbe. Ich weiß, dass es Schlimmeres gibt, als einen Baum fällen zu müssen. Aber trotzdem - ich bin traurig, sehr traurig .....
 
.... und irgendwann, bestimmt aber noch in diesem Jahr, setze ich wieder einen Baum!
Vielleicht einen Apfelbaum, denn der jetzige ist auch schon sehr, sehr alt.
 
 
 
 



1 Kommentar:

  1. Sehr berührend. Trotzdem froh, dass du ihn überlebt hast!

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